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Wenn die Luft in den Chefetagen nach Männerschweiß riecht

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51 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung sind Frauen. 46 Prozent der Erwerbstätigen. 51 Prozent der Hochschulabsolventen. Immerhin  werden 31 Prozent der Führungspositionen allgemein schon von Frauen besetzt, aber nur 15 Prozent im mittleren Management,  zehn Prozent der Aufsichtsräte und drei Prozent der Vorstände deutscher Unternehmen. Hier stimmt etwas nicht.

Die Zahlen stammen aus der lesenswerten Broschüre des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, „Frauen in Führungspositionen: Barrieren und Brücken“:

http://www.bmfsfj.de/RedaktionBMFSFJ/Broschuerenstelle/Pdf-Anlagen/frauen-in-f_C3_BChrungspositionen-deutsch,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true.pdf

Frauen finden sich in den Berufen verstärkt wieder, wo es für zu wenig Lohn zu viel schwere Arbeit zu leisten gibt: Krankenschwester, Erzieherin, Grundschullehrerin, Kinderärztin. Wo man mehr verdient und mehr bewegen kann, riecht die dünnere Luft eher nach Männerschweiß.

Nun mag es sein, wie die frühere „taz“-Chefin Bascha Mika sagt, dass die „Feigheit der Frauen“ eine Rolle spielt bei ihrer Benachteiligung. Es gehört heute ohnehin zum guten Ton, den benachteiligten dieser Erde – nicht nur den Frauen, sondern auch dem Prekariat, den Zuwanderern, den Entwicklungsländern – eine Mitschuld an ihrer Situation zu geben.

Aber eine solche eklatante Unterrepräsentierung wie in der angeblich „freien“ Wirtschaft kann rein statistisch gesehen kaum mit Defiziten der Unterrepräsentierten erklärt werden.

Deshalb bin ich für eine Frauenquote zunächst in Aufsichtsräten und später auch in den Vorständen börsennotierter Unternehmen. Der Gesetzgeber hat das gesetzliche Recht, hier einzugreifen. Und auch die moralische Pflicht. Er hat 2001 darauf verzichtet, weil die deutsche Wirtschaft 2001 freiwillige Maßnahmen zur Verbesserung der Frauenquote versprochen hat. Das Ergebnis ist das oben geschilderte Debakel. Die ohnehin untereinander verbandelten Vorstände und Aufsichtsräte (wer aus dem Vorstand ausscheidet, wechselt in den Aufsichtsrat, wo er seine Nachfolger „kontrolliert“, sprich dafür sorgt, dass der gleiche Kurs weiter gesteuert wird) sind Männerclubs, in denen man sich gegenseitig bestätigt, dass die Frauen es nun mal nicht können.

Es ist aber mit der Führung von Unternehmen ein bisschen wie mit der Demokratie. Wenn man – ich denke an diverse Kommentare zur arabischen Welt – warten will mit der Einführung der Demokratie, bis ein Volk „reif“ dafür ist, kann man ewig warten. Denn die Demokratie lernt man durch die Demokratie, nicht ein einer – noch so wohlmeinenden – paternalistischen Diktatur. Und Führungsstärke lernt man durch Führung, nicht in untergeordneten Positionen. Und ja, das kann schief gehen. Eine Frauenquote bedeutet nicht ein Ruhekissen für Unfähige, im Gegenteil.

Man sagt, dass der Markt das allein regeln sollte. Warum? Seit wann ist der Markt für Gerechtigkeit zuständig? Der Markt ist für die bestmögliche Verteilung der Güter und Dienstleistungen zum bestmöglichen Preis zuständig, für mehr nicht. Er funktioniert innerhalb der Regeln, die der Staat setzt und nach moralischen Normen, die er nicht aus sich heraus generieren kann. Das wusste schon Adam Smith, der sein tägliches Brot eben nicht von der Menschenfreundlichkeit des Bäckers erwartet, sondern von dessen Gewinnsucht. Merkwürdig, dass ausgerechnet die Freunde der Marktwirtschaft diese Grundeinsicht vermissen lassen.

Man sagt, dass eine Frauenquote die Männer benachteiligen und also eine Verletzung der Gerechtigkeit bedeuten würde. Warum? Ist es ungerecht, dass es nur soundsoviele Aufsichtsratsposten in Deutschland gibt, so dass nicht jeder Mann, der gern Aufsichtsrat wäre (ich zum Beispiel), tatsächlich einen dieser gut dotierten und wenig anstrengenden Posten bekommen kann? Natürlich nicht. Und wenn diese Zahl nun reduziert wird, weil – sagen wir – 40 Prozent für Frauen reserviert werden, dann ist das eben eine Tatsache des Lebens, mit dem Männer bei ihrer Lebensplanung rechnen müssen, ebenso wie mit der Tatsache, dass Frauen heute sexuell anspruchsvoller sind als früher, was ja auch der Generationengerechtigkeit irgendwie widerspricht.

Viele Frauen sagen, dass sie gegen eine Quote sind, weil sie nicht im Aufsichtsrat als Quotenfrau angesehen werden wollen. Bitte sehr. Sie müssen sich ja nicht bewerben. Niemand wird in den Aufsichtsrat gezwungen. Komischerweise fühlt sich keiner der Männer in den Aufsichträten als Quotenmann, obwohl es – siehe oben – im hohen Grad unwahrscheinlich ist, dass der unfähigste männliche Aufsichtrat immer noch besser ist als die qualifizierteste Frau, die – weil sie nicht zum Old Boys’ Network gehört – im Mittleren Management versauert.

In Norwegen gibt es eine Frauenquote. 40 Prozent der Aufsichtsratsplätze aller größeren börsennotierten Aktiengesellschaften müssen seit 2008 von Frauen besetzt werden. Sonst drohen drakonische Strafen bis hin zum Ausschluss von der Börse. Ist das Kapital aus Norwegen geflüchtet? Geht das Land dem wirtschaftlichen Niedergang entgegen? Nein.

Vor allem: in der deutschen Politik gibt es eine Frauenquote. Die Grünen machten den Anfang (wie bei so vielem), die CSU zog 2010 nach. Glaubt irgendjemand, dass Angela Merkel ins Kabinett gekommen wäre, wenn  sie nicht gleichzeitig Quotenfrau und Quoten-Ossi gewesen wäre? Und nun ist sie Kanzlerin. Es hat schlechtere Regierungschefs gegeben. Dass ausgerechnet sie den Plänen ihrer Kollegin Ursula von der Leyen für eine gesetzliche Regelung der Quote in der wirtschaft eine Abfuhr erteilt hat, ist bitter. Und kurzsichtig. Denn die Quote wird kommen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Wirtschaft sie will. Hier, wie beim Umweltschutz, dem CO2-Austoß, dem Abbau von Subventionen, der Lebensmittelkontrolle und ähnlich gelagerten Fällen, wo der Markt eben nicht von sich aus eine Lösung bereit stellt, möchte sie zu ihrem Glück gezwungen werden. Wenn nicht diese, wird die nächste Bundesregierung ihr den Gefallen tun.


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